Im Fernsehen sind zur Zeit Reportagen beliebt, in denen auf dem Euro, der Währungsunion im Allgemeinen, den Griechen im Besonderen herumgetrampelt wird und mit tendenziösen Bildmontagen und Berichterstattungen gearbeitet wird. Es folgen gern "Befragungen" des "mündigen Bürgers", in denen der Tenor vorherrscht, man wolle die D-Mark wiederhaben und früher wäre ohnehin alles besser gewesen. Man merkt dann, wie viel wirtschaftspolitische Unkenntnis in den deutschen Medien vorherrscht und wie sehr es doch an ebensolchem Sachverstand mangelt.
Denn es gibt für die deutsche Volkswirtschaft keine größere ökonomische Massenvernichtungswaffe als die Rückkehr zur Deutschen Mark. Um das deutlich zu machen, exerzieren wir eine solche Idee einmal durch:
Im Januar 2012 verkündet die Bunderegierung, aus dem Euro auszusteigen und die Deutsche Mark einzuführen. Prompt steigen die Zinsen für neue Staatsanleihen aller Euroländer außer Deutschland, natürlich. Dessen Zinsen fallen zunächst ins Bodenlose, weil es der einzige noch sichere Hafen zu sein scheint. In Folge der Kreditverknappung für Italien, Spanien, Frankreich und andere Länder werden deren ökonomische Schwierigkeiten größer, die Staatshaushalte schwerer mit Krediten zu versorgen. Die Staaten müssen also stärker sparen und geben daher weniger aus. Ihre Wirtschaften kommen ins Trudeln - und kaufen daher sofort weniger deutsche Exportprodukte, die inzwischen die Hälfte unseres Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Das eigentlich angedachte Wachstum für 2012 reduziert sich prompt von 2 auf 0 Prozent.
Zur Mitte des Jahres 2012 wird dann der Euro abgeschafft und die Deutsche Mark eingeführt. Sie muss zwangsläufig freien Wechselkursen überlassen werden. Viele Investoren und Banken, die ihre Währungsreserven in den letzten zehn Jahren in Euro angelegt haben, tauschen ihre Gelder nun in Mark um - denn der Rest-Euro ist ihnen natürlich nicht sicher genug. Problematisch daran ist jedoch, dass vor der Euro-Einführung in den Neunziger Jahren gerade mal 8% der weltweiten Währungsreserven in Mark angelegt waren, im Euro heute jedoch schon 23% der Währungsreserven liegen. Ein großer Anteil dieser Gelder flüchtet jetzt in die sichere Deutsche Mark und treiben deren Wechselkurs gegenüber dem Rest-Euro und dem Dollar in ungeahnte Höhen. Bekam man früher für 1,5 Mark einen Dollar, bekommt man heute einen Dollar für eine Mark. Der Wechselkurs Mark zu Euro wird ebenfalls in die Höhe schnellen: statt ungefähr 2:1 werden es eher 1,5:1 werden.
Als Folge davon werden deutsche Exporte in die Eurozone, Dollarländer und nach Asien, die oft ebenfalls in Dollar abrechnen sofort teurer. Hat eine S-Klasse von Daimler in New York im Frühjahr 2012 noch 60.000 Dollar gekostet, sind es im Herbst schon 80.000 Dollar, denn die teure Deutsche Mark macht alle Exporte für die Kunden im Ausland teurer. So geht es nicht nur den Autos, sondern auch Zügen, Kränen, Druckmaschinen, Baumaschinen, Medizintechnik, Dienstleistungen und allen anderen Exporten. Für die bisher erfolgreichen deutschen Lieferanten springen nun die Euroländer in die Bresche, denn ihre Exporte werden plötzlich im Vergleich zu Deutschland günstig. Da der Rest-Euro im Wert gegenüber Dollar und Mark abgewertet hat, sind Frankreich, Spanien, Italien plötzlich billige Hersteller geworden und jagen den Deutschen reihenweise Exportmärkte in aller Welt ab.
Deutschlands Wirtschaft gerät währenddessen in die Rezession und schrumpft bis Mitte 2013 um 5 bis 10 Prozent. Da sich deutsche Autos zunehmend schlechter auf den Weltmärkten verkaufen, entlassen Daimler, BMW, VW und Opel zehntausende von Mitarbeitern oder schicken sie in Kurzarbeit. Ebenso halten es hunderte von großen und mittelständischen deutschen Exportweltmeistern, die ihre Güter nicht mehr bei ihren bisherigen Auslandskunden loswerden. Die Arbeitslosenzahlen steigen schnell auf 3,5 Millionen und bis Mitte 2013 auf 4 Millionen und weiter. Währenddessen floriert die Wirtschaft in der restlichen Eurozone, da sich Deutschland auf dem Weltmarkt dank seiner starken Währung erstmal aus dem Spiel genommen hat. Vom jährlichen Aussenhandelsüberschuss von über 150 Milliarden Euro jährlich, die uns die starke Exportwirtschaft in die inländischen Kassen gespült hat, ist kaum noch etwas übrig geblieben. Erst nach Jahren des Übergangs und der wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen taucht Deutschland nach schmerzhaften Lohnsenkungsrunden wieder aus dem Tal der Depression wieder auf.
Das sieht düster aus? Richtig, und genau dieses Szenario wird uns ereilen, wenn wir dem weinerlichen Gejammer nach der "guten alten Mark" nachgeben und wieder eine nationale Währung einführen. Der Euro hat uns seit zehn Jahren eine praktische nicht mehr vorhandene Inflation beschert, er hat unsere Exportwirtschaft durch einen günstigen Eurokurs auf Kosten der anderen Euroländer gestärkt und sorgt für niedrigste Zinsen für deutsche Staatsanleihen, was unsere Staatskassen entlastet. Jetzt ist es an Deutschland, sich dafür bei den anderen Euroländern zu revanchieren und seinen Teil zur Bewältigung der Krise mit ein paar Milliarden beizutragen. Abgesehen davon, dass es in unserem eigenen Interesse liegt, ist es auch fair und richtig, das zu tun.
Zwei Anmerkungen: Dominierend ist in den letzten Tagen - nicht zuletzt durch Papandreus kurzzeitigem Ausflug in die Ideenwelt - eher ein Austritt Griechenlands (und ggf. anderer PIGS-Staaten) aus der Währungsunion. Von Deutschlands €-Austritt reden tatsächlich nur wenige Menschen und noch weniger öffentlich bekannte Personen. Dass ein solcher €-Ausstieg Griechenlands zwar seit langem als "abstrus" oder "undenkbar" bezeichnet wird kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es als möglicher Weg zur Insolvenz/Resolvenz (nennen Sie es wie Sie wollen) Griechenlands in Betracht gezogen werden sollte. Dafür bedarf es schleunigst ein Verfahren, wie es übrigens 189 Wirtschaftsprofessoren schon vor gut einem Jahr forderten.
AntwortenLöschenEine zweite Anmerkung betrifft den vorliegenden Text: Die Analyse ist wohl richtig, die Zukunftsvision düster gemalt aber eine Formulierung wie "Jetzt ist es an Deutschland, sich dafür bei den anderen Euroländern zu revanchieren und seinen Teil zur Bewältigung der Krise mit ein paar Milliarden beizutragen." ist dann doch etwas gewagt.
Bei Haftungsrisiken im Fünftel-Viertel-Billionen Euro Bereich von "ein paar Milliarden" zu fabulieren ist schon abenteuerlich.
Zur ersten Anmerkung: ich würde einen geregelten Austrittsmechanismus durchaus begrüssen, auch wenn ein solcher Schritt - egal ob Ein- oder Austritt - immer eine politische und keine rein automatische Entscheidung sein muss und soll. Ob Griechenland mit einer Rückkehr zu einer eigenen Währung besser fahren würde, sei dahingestellt, das ist eine Rechenaufgabe: teurere Importe gegen billigere Exporte. Die Überlegung an sich ist natürlich legitim und es sollte da ohnehin keine Tabus oder Denkverbote geben.
AntwortenLöschenZum zweiten Punkt: ich bezog mich bei dieser Bemerkung auf bisher tatsächlich an Griechenland gegebenen, nicht rückzahlbaren Mittel, welche in Summe weniger als 10 Mrd. Euro ausmachen. In Relation zu unserer Volkswirtschaft sind das Peanuts und keine Anstrengung. Die Absicherungsgarantien für den EFSF sind natürlich eine andere Größenordnung, aber das sind eben nur Garantien für Kredite und bisher theoretischer A eine gezahlten oder realisierten Verlust
...letzter Satz: und bisher theoretischer Art unbd keine gezahlten Mittel oder realisierten Verluste.
AntwortenLöschen(Kommentare auf dem iPhone tippen... naja.
Eine Flasche Wein, dass diese Haftungen fällig werden?
AntwortenLöschen(Werde mir dafür dann Goldnuggets beiseite packen, die Flasche Wein wird in diesem Fall dann nämlich einiges mehr kosten als jetzt)
M.A.
Ach, die Wette gehe ich problemlos ein. Ich würde sagen, von den deutschen Garantien für den ESFS werden in den nächsten drei Jahren nicht mehr als maximal 50 Mrd. Euro fällig. Müssen wir uns nur noch über den Wein einigen, ich mag nur weissen oder rose.
AntwortenLöschenIrgendwie fehlt mir das Eingehen auf das Steuerorgan des Staates: Der Bundeszentralbank. Was hindert uns daran mehr D-Mark zu drucken?
AntwortenLöschenUnd dass die anderen EU-Länder automatisch mehr verkaufen halte ich auch für gewagt, da Deutschland nicht nur über den Preis seine Waren verkauft sondern auch über Qualität. Einbrechen schon, aber alles abgeben? Naja...
Es gibt Faktoren, die dein Szenario abschwächen bzw. auch verhindern könnten.
AntwortenLöschen1. Wie bereits angemerkt, was hindert uns mehr D-Mark zu drucken, wenn es so begehrt ist?
2. Wo bekommt D seine Rohstoffe her? Aus dem Ausland! Diese werden jetzt natürlich auch billiger.