... ist in meinen Augen das Projekt, welches sich ein Kreis von Magdeburger Bürgern und Amtsträgern zum Ziel gesetzt hat. Dabei geht es um den Wiederaufbau der so sogenannten Ulrichskirche in der Magdeburger Stadtmitte. Prinzipiell stehe ich einem derartigen Engagement stets sehr positiv gegenüber. Auch wenn ich vielleicht persönlich nichts mit einem Gebäude, das wie eine Kirche aussieht, aber nicht unbedingt eine sein wird, anfangen kann, so mag das noch nichts heißen. Ich kann auch mit der Pferderennbahn nichts anfangen, aber sie hat gewiss ihre Berechtigung. Prinzipiell geht es immer darum, das Engagement begrüßenswert ist, Initative lobenswert und das ich das Recht eines jeden Bürgers, sich zu beteiligen, stets verteidigen und nicht beschränken sollte. Auch - und natürlich eigentlich gerade dann - wenn mir das spezielle Anliegen im Detail nicht passt.
Und ja, ich bin auch ein Vertreter des städtebaulichen Gedankens, dass eine Stadt in ihrer Mitte verdichtet, bebaut und geschlossen wirken sollte. Breite Allen und weite Parks, große, leere Flächen gehören für mich nicht dahin, denn ich meine, dass eine Stadt in ihrer Mitte lebendig sein muss. Dazu braucht es Menschen. Und die halten sich nun mal nicht auf leeren Flächen auf, die wollen Wohnungen, Cafés, Geschäfte, Behörden, Restaurants, Kinos und so vieles mehr und das alles auf möglichst kleinem Raum. Wer mal das Stadtzentrum von Magdeburg mit dem Zentrum des gleich großen Freiburgs im Breisgau vergleicht, stellt fest: Magdeburgs Zentrum ist bis auf das Allee-Center ziemlich menschenleer, Freiburg ist dagegen dicht befüllt. Der Unterschied? In Magdeburg gibts breite Straßen und viel leeren Raum, in Freiburg dichteste Bebauung ohne Raum. Insofern sollte etwas mehr Bebauung im Zentrum meiner Stadt nicht grundsätzlich schlecht sein.
Dennoch: mit der Vorstellung, im Zentrum Magdeburgs die Summe von irgendwas zwischen 15 und vielleicht 25 Millionen Euro auszugeben, um eine nicht allzuschöne Nicht-Kirche auf einen Platz zu stellen, der sich als grüne Wiese auch ganz gut macht, ist für mich ziemlich absurd. Ich finde, da hat sich das Engagement einfach die falsche Betätigung ausgesucht. Es ist ehrenvoll, aber nicht nützlich. Denn ich meine, dass zu Verantwortung auch gehört, mit seinem Können sinnvolles und nützliches zu unternehmen. Die Ulrichskirche finde ich nicht sinnvoll und auch nicht nützlich.
Ich will auch gar nicht allzu sehr darauf herumreiten, was man mit der geplanten Summe sonst noch so alles anstellen könnte: ein Dutzend Kindergärten für ein Jahrzehnt ordentlich auszustatten oder ein paar Schulen sauber renovieren, mehrere hundert Ausbildungsprojekte für schwierige Jugendliche finanzieren oder halt nur ein paar Denkmäler sanieren, den Dom ordentlich putzen, ein weiteres Freibad eröffnen, die fahrende Bücherei aufstocken oder den Wasserturm in Salbke sanieren. Da wäre viel möglich. Aber das ist eigentlich nicht der Punkt, denn wenn tatsächlich die gesamte Summe privat aufgebracht wird, dann können die Spender ihr Geld natürlich genau dafür verwenden, wofür sie es für richtig halten. Das braucht ihnen niemand vorschreiben, der selbst nichts gibt - wie ich beispielsweise.
Der Punkt ist eher, dass es mich nervt, dass ein solch überflüssiges Projekt tatsächlich Zulauf findet. Obwohl oder vielleicht gerade deswegen, weil es so hanebüchen ist. Eine langweilige Kirche an einen Ort voller Nichtchristen zu stellen, ist ein Projekt, das mir völlig überflüssig erscheint. Es geht mir auf die Nerven, dass die Befürworter des Projekts barsch all diejenigen abbügeln, welche das nicht so toll finden.
Die Ulrichskirche war nicht besonders hübsch und ihr Wiederaufbau wird sie auch nicht schöner machen. Ihr künftiger Nutzungszweck für Kunstausstellungen, Foren oder als so genannte Citykirche für christliche Zwecke - falls sie doch geweiht werden sollte - ist angesichts von einem Viertel christlicher Bevölkerung in der Stadt doch recht optimistisch. Es darf vermutet werden, dass wir nur eine weitere Art Johanniskirche bekommen, die man für Events nutzen darf. Immerhin gibts für religiöse Dinge ja noch reichlich andere Kirchen und wenn einem das Thema wichtig ist, warum dann nicht den stets recht leeren, aber doch immerhin recht ansehnlichen Dom stärker nutzen?
Auch brauche ich kein Mahnmal, dass mich an die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und die absurd dämlichen Verbrechen von Walter Ulbricht erinnert; ich weiß auch so, dass ich so eine Ära nicht mehr brauche (keiner, den ich kenne, sieht das anders). Es würde in dieser Beziehung doch sicher reichen, die erhaltenen Originalteile im jetzigen Park hinzustellen und eine Plakette anzubringen.
Und meine Befürchtung ist, dass irgendwo auf halber Strecke dann eben doch - genauso wie bei der Elbphilharmonie in Hamburg, dem Katastrophenprojekt schlechthin - der Steuerzahler in Form von öffentlichen Mitteln in Anspruch genommen werden muss, weil ansonsten eine halbfertige Bauruine die Stadt die nächsten 20 Jahre begleiten wird. Und wenn es um die Schaffung einer neuen Magdeburger Mitte geht, dann wäre doch vermutlich auch ein Bau nützlicher, den man als Bürger, als Mensch (und nicht als Christ) begreifen und ergreifen und benutzen kann. Meinetwegen könnte das ein offener Ratssaal für den Stadtrat in Form eines antiken Forums oder Theaters sein. Oder ein Bürgerbüro. Oder eine Schule. Oder ein Kunsthaus, ein Kindergarten oder ein Hotel.
Oder auch einfach eine nette, grüne Liegewiese.
"Die Ulrichskirche war nicht besonders hübsch"? Bist du sicher, dass du von der richtigen Kirche sprichst? Die Kirche St Ulrich und Levin galt eigentlich immer als die eleganteste gotische Kirche der Stadt.
AntwortenLöschenDass man den Wiederaufbau kritisch sehen kann, aufgrund der anderen Argumente, die du anführst, ja, kein Ding, aber die ästhetische Seite eignet sich meines Erachtens nicht, weil das eben stets eine subjektive Sichtweise bleibt.
Die Art und Weise der Diskussion - auf beiden Seiten - empfinde ich allgemein gesprochen als sehr unsachlich und wenig zuträglich. Da führt die eine Seite den Erhalt der wichtigen Grünfläche an, während die andere stets kurz davor scheint ihren Gegnern Unterstützung des Ulbrichtregimes vorzuwerfen.
Generell denke ich, dass es dringend nötig, dass beide Parteien mal -miteinander- reden, statt ständig übereinander. Wenn ich in der Zeitung Leserbriefe lesen muss, in denen der Ulrichskirche jegliche historische Bedeutung abgesprochen, gleichzeitig der Dresdner Frauenkirche eine enorm hohe zugesprochen wird...oder in anderen Leserbriefen ein Ulrichskirchenwiederaufbaugegner (tolles Wort) zitiert wird mit den Worten, er habe noch niemanden getroffen, der dafür ist...dann zeigt das das Niveau der Debatte deutlich.
Aber ich will gar nicht über das Niveau diskutieren, sondern über den Wiederaufbau. Du nennst den Wiederaufbau überflüssig und meinst wir bräuchten nicht noch eine Johanniskirche. Gleichzeitig bist du aber schon ein Befürworter einer neuen "Magdeburger Mitte", zumindest lese ich den letzten Absatz so.
Deine Vorschläge klingen für sich genommen alle interessant und umsetzbar (ich ignorier mal die Liegewiese) - aber letztlich haben sie nicht mehr mit Magdeburg zu tun, als mit jeder anderen Stadt. Das ist bei der Ulrichskirche anders.
Sie bietet die einzigartige Möglichkeit, ohne irgendetwas nach 1945 neu errichtetes abzureißen, ein Stück des Vorkriegsmagdeburgs zurückzugewinnen für die nachfolgenden Generationen. Letztlich handelt es sich bei dieser "Liegewiese" ja doch nur um eine glorifizierte Baulücke, also eine Kriegswunde. Grundsätzlich halte ich die Beseitigung dieser Lücke durch den Bau eines Gebäudes für erstrebenswert - und die Ulrichskirche erscheint mir am geeignetsten, da sie nun einmal -an eben der Stelle- stand.
Wo ich dir zustimme, ist die Nutzungsplanung. Man muss vorher wissen, was dort geschehen soll - aber ich bezweifle doch stark, dass eine weitere kulturelle Einrichtung leer stehen würde.
P.S. Zur Finanzierung. Ich gehe davon aus, dass das Projekt, so es denn das Umsatzstadium erreicht, -auch- Fördermittel erhalten wird, eine komplett private Förderung ist, gerade bei der Einkommenssituation in Magdeburg, eher illusorisch. Allerdings finde ich das nicht schlimm.
P.P.S. Was mir "auf die Nerven" geht, ist, dass die Gegner außer einem "braucht kein Mensch" keine gescheiten Argumente dafür haben, andere Menschen am Ausgeben ihrer privaten Gelder zu hindern...
Lieber Malte,
AntwortenLöschenwie Du sicherlich gemerkt hast, renne ich nicht mit Schaum vor dem Mund herum und ereifere mich. Es ist mehr so ein lapidares "Macht-was-sinnvolleres-mit-eurer-Zeit".
Ja, ich finde die Kirche wirklich nicht sehr hübsch. Die Gotik ist im allgemeinen sehr relativ selten eine wirklich schön anzusehende Bauweise, wenn man sie mit den opulenten, prächtigen Bauwerken des Barocks oder der Renaissance vergleicht. Aber wie Du schon sagst, ist das eine höchst subjektive Angelegenheit und taugt in der Tat nur wenig als Argument pro oder contra.
Auch Deine Auslassungen über das Niveau teile ich durchaus, es ist immer nützlicher, miteinander zu reden als übereinander. Ich unterstelle den Befürwortern allerdings nichts böses, ich teile nur nicht ihren Enthusiasmus und würde mir - in meinen Augen - nützlichere Betätigungen wünschen. Das ich die Kirche überflüssig finde - trotz ihrer sicherlich vormaligen historischen Bedeutung, die natürlich gegeben war - wird dadurch nicht geändert.
Das auch Du davon ausgehst, dass in einem späteren Stadium öffentliche Mittel zur Finanzierung herhalten werden müssen, ist sicherlich realistisch. Wir wissen ja beide, wie sowas läuft. Und das ärgert mich an dieser Stelle doch sehr, ich finde es in der Tat schlimm. Denn ich finde es eben - auch und gerade angesichts der klammen finanziellen Situation der Stadt und der anderen "Prestigeprojekte", die man sich unnötigerweise so geleistet hat (Fußballstadion, Tunnel am Damschkeplatz, Tunnel am Uniplatz,...) - nötig, dass das Geld des Steuerzahlers für die wirklich wichtigen Dinge ausgegeben wird. Eine Kirche wiederaufzubauen gehört da nicht dazu, Kindergärten, Schulen, Feuerwehren, Bäder, Bibliotheken auszustatten hingegen schon. Und die hätten es nötiger.
Hallo Chris,
AntwortenLöschendas Nivea deiner Argumentation ist sehr toll und ich würde mir dies für die gesamte Diskussion wünschen. Vorweg, ich bin für den Wiederaufbau.
Zu den Fördermitteln:
Es wird sicher kein Geld der Stadt geben. Das kann ich mir nicht vorstellen.
Aber wenn es zum Beispiel Mittel der EU gibt, dann fließen so ja Mittel nach MD, die wir sonst nicht in der Stadt hätten.
Zu den Spendern:
Die werden zum großem Teil aus dem Ausland kommen und wahrscheinlich kein Geld für ein magdeburger Schwimmbad geben.
Zu den Gegnern:
Ich habe es sehr oft erlebt, dass nachdem man mit den Bürgern in Ruhe gesprochen hat, es sich viele dann doch vorstellen können, dass die Kirche gebaut wird. Vorher waren diese von Vorurteilen geleitet.
Zum Zentrum:
Die Ulrichskirche kann zum Schlüsselbauwerk für die Innenstadt werden und im Umfeld weitere Investitionen, wie neue Geschäfte, Blaue Bock, usw. anstoßen. Diese Meinung teilen auch viele Gewerbetreibende im Innenstadtbereich.
Zur Nutzung:
Das Konzept Mitte-Mahnmal-Museum halte ich schon für sehr gut aber eine sachliche öffentliche Diskussion zur Kirche, kann vielleicht neue Ideen hervorbringen und so allen dienen.
LG F.L.
Lieber Anonym,
AntwortenLöschenzunächst danke für das Kompliment.
Bei den Fördermitteln bin ich mir nicht so sicher, dass es dazu nicht kommt. Der Stadtrat in vier oder sechs Jahren ist personell anders besetzt und wird anders entscheiden als der heutige. Sicherlich unter denselben Sachzwängen wie heute, nichtsdestotrotz wird die normative Kraft des Faktischen - nämlich eine halbfertige Kirche, deren Bauträger allmählich das Geld ausgeht - ein schlagkräftiges Argument sein, dass eben doch öffentliche Mittel in Anspruch genommen werden (sollen). Und da hab ich eben ein Problem damit. Wenn tatsächlich zu Baubeginn 20 oder 25 Millionen vorliegen sollten, die aus Spenden und meinetwegen EU-Mitteln aufgebracht wurden, dann hat das Projekt zumindest in finanzieller Hinsicht meinen Segen (dennoch sähe ich auch die EU-Mittel lieber anderweitig verwendet, letzten Endes ist das nämlich auch Steuerzahlergeld und ein guter Teil davon deutsches).
Zur Baufrage stehe ich dennoch weiterhin anders. Es gibt - wie ich oben schon erwähnte - in meinen Augen sinnvollere und für alle Bürger nützlichere Bauten, mit denen man diese Fläche "schließen" könnte. Eine Kirche oder ein Mahnmal brauche ich persönlich jedoch nicht. Denn in Anbetracht der paar Christen hier in der Stadt dürfte es der Mehrheit der Bürger vielleicht ähnlich gehen. Und ich bin eben auch der Ansicht, dass man die Vergangen ruhen lassen kann. Ich freue mich über das heutige Deutschland und es gibt in meinen Augen genug Denk- und Mahnmale, die uns vor vergangenen Untaten warnen.
Insgesamt rührt meine Ablehnung also weniger aus Vorurteilen, als aus einer persönlichen Präferenz für etwas anderes an dieser Stelle heraus.
Besten Gruß, Chris