Montag, 20. März 2017

Über Trump brauchen wir uns nicht zu wundern

Die Trump-Administration hat Fahrt aufgenommen und geht mit schnellen Schritten den Umbau (bzw. aus europäischer Sicht die Demontage) des Amerikas an, das wir seit der Nachwendezeit kennen. Während des gesamten Wahlkampfes habe ich es nicht für möglich gehalten, dass dieser Mann gegen eine so kluge, erfahrene, dezente und weitgehend integere Person wie Hillary Clinton gewinnen kann. Mir schien eher ein 65:35-Ergebnis zu Clintons Gunsten denkbar. Ich habe mich getäuscht - in Amerika sind ganz offenbar sehr viele Menschen sehr angepisst vom politischen Establishment. Trump ist schließlich weniger ein republikanischer Kandidat, als vielmehr ein Ursupator der Partei, die sich jetzt wohl oder übel mit ihm abfinden muss. Trump steht für die meisten seiner Wähler für eine Art Anti-Establishment.

Mit ein wenig Rückblick sollte uns seine Wahl nicht unbedingt wundern: Trump verspricht, Jobs nach Amerika zurückzuholen, den Menschen eine wie auch immer geartete Freiheit und Größe zurückzugeben und all die anderen Länder für Amerikas Dienste bezahlen zu lassen. Das kommt natürlich gut an, wenn man das Gefühl hat, ausgenutzt zu werden. Lassen wir mal die Frage beiseite, ob Amerika tatsächlich ausgenutzt wird und zu viel für andere Länder tut. Sie ist ohnehin unmöglich zu beantworten. Widmen wir uns der Frage, warum so viele Menschen Trump wählten. Er gewann im Süden und den meisten Flyover-States in der Mitte des Landes. Das sind die Staaten, die von den meisten technologischen Revolutionen und dem Aufstieg der digitalen Ökonomie der letzten 20 Jahre zurückgelassen worden sind, in denen die Industrialisierung zurückgeht, die starke Ölwirtschaft und die Landwirtschaft bedroht ist, die Arbeitslosigkeit höher als im Landesschnitt ist und weniger Geld für den sozialen Ausgleich durch die öffentliche Hand zur Verfügung steht. Diesen Staaten geht es, im Gegensatz zu den großen Küstenstaaten, nicht besonders gut.

Auch hat sich die inzwischen weitgehend globalisierte Marktwirtschaft durch Freihandelsabkommen und den Rückzug der Staaten aus Regulierung und Protektionismus weltweit weitgehend zu Tode gesiegt. Egal ob das tatsächlich so ist oder nicht - es braucht kaum wundern, wenn das Pendel nun nach 25 Jahren Freihandel in die andere Richtung schwingt und eine Gegenbewegung heranwächst, die sich vom Freihandel und der Marktwirtschaft zurückgelassen und ausgebeutet fühlt. Wenn Großkonzerne wegen der Kosten Jobs ins billigere Ausland verlagern und gleichzeitig ihren weitgehend mittelmäßigen Führungskräften Millionen und Abermillionen an Boni und Abfindungen hinterherwerfen, ganz egal wie diese ihren Job machen, wundert es auch kaum, wenn die eher mittelprächtig bezahlten Arbeiter und Angestellten nur noch Verachtung übrig haben. Die großen Skandale der letzten Jahre (VW, Deutsche Bank, McKinsey, Roland Berger, Lufthansa, Apple, Goldman Sachs, NordLB, JP Morgan oder schlicht Uli Hoeneß uvm.) haben das Vertrauen großer Bevölkerungsschichten in die wirtschaftliche Elite völlig erodiert, egal ob in Europa oder Amerika. Das aus dieser Verachtung Hass auf die Eliten erwächst, wenn man selbst nur wenig hat, ist nachvollziehbar.

Wenn dann nun einer daherkommt und verspricht, aufzuräumen, "to drain the swamp", ist es verständlich, wenn ihm die enttäuschten Massen folgen - ganz egal ob er selbst Teil dieses Establishments ist oder nicht. Trump wird keine der Hoffnungen der Enttäuschten erfüllen wollen, weil er selbst zu denen gehört, die vom etablierten System profitieren. Er ist so sehr Establishment, wie man nur sein kann. Aber als Wahlkämpfer hat er sehr viel richtig gemacht - auch wenn es natürlich eine Enttäuschung ist, dass sich so viele Menschen so sehr belügen lassen. Er hat auf dem Estalbishment herumgehauen wie keiner zweiter, und das kam gut an.

Die Frustration des liberalen Establishments der westlichen Demokratien über den Aufstieg der Populisten ist berechtigt. Schließlich geht es den meisten dieser Länder so gut wie noch nie. Andererseits hat in all diesen Ländern ein relevanter Anteil der Bevölkerung von diesem Wohlstand nur sehr wenig - und außerdem dieser Länder ein guter Teil der Weltbevölkerung so gut wie gar nichts. Dem Kapitalismus und Liberalismus ist auf seinem globalen Siegeszug in den 90ern und 00er Jahren dummerweise das Gefühl dafür abhanden gekommen, das stabile Gesellschaften auch ausgeglichene Gesellschaften sein müssen. Und Amerika befindet sich sich Jahrzehnten auf dem Weg in ein monströses Ungleichgewicht. Das die beiden großen politischen Parteien kontinuierlich daran scheiterten, hier wirklich Hand anzulegen, bezahlen sie - und das ganze Land - nun sehr teuer.

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