Donnerstag, 2. September 2010

Das Gewäsch von der Wehrpflicht

Die Wehrpflicht ist tot. Das weiß eigentlich jeder. Seitdem der Verteidigungsminister zu Guttenberg seine Reformpläne vorgestellt hat, wird halbwegs vernünftig über die zukünftige Entwicklung der Bundeswehr diskutiert. Die Wehrpflicht spielt in all seinen Plänen nur insofern eine Rolle, als sie als Verhandlungsmasse vorgesehen ist und in jedem ihr endgültiges Ende eingeleitet oder vollendet wird. Das er die Wehrpflicht dabei nicht aus dem Grundgesetz streichen sondern sie nur aussetzen will, ist nur eine Demonstration seines politisch-taktischen Geschicks. Er weiß, dass er die im Bundestag notwendige Zweidrittel-Mehrheit ohnehin nicht bekäme. Also eben über die praktische Schiene.

Das ist auch gut so. Die Wehrpflicht ist ein Relikt aus den Zeiten des Kaiserreichs, der Wehrmacht, des Kalten Krieges und sie hat leider die letzten 20 Jahre auch noch überstanden. Sie ist heutzutage so überflüssig wie ein Blinddarm. Es ist schon lange an der Zeit, sie abzuschaffen und die Bundeswehr zu einer Berufsarmee zu machen. Das haben die meisten Bürger im Land auch erkannt, selbst die konservativeren sehen in einem sechs- oder neunmonatigen Wehrdienst keine besonders nützliche Angelegenheit mehr. Warum?
  • Die schnell-da-und-schnell-wieder-weg-Rekruten sind keine Hilfe für die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr, eher schon eine Last. 
  • Im Lebensweg eines jeden jungen Deutschen ist die Wehrpflicht oder der Zivildienst eine Hürde, die es lediglich zu überwinden gilt. Sie stärkt weder den Patriotismus, sie öffnet keine Augen für alternative Lebenswege und sie bedeutet auch keine Bereicherung der Lebenserfahrung
  • Eher schreckt sie aufgrund ihrer Ungerechtigkeit ab, weil nur noch rund 15% eines Jahrgangs überhaupt eingezogen werden, nicht mal 70.000 gegenüber mehreren Hunderttausend vor 20 Jahren. Dumm ist eigentlich, wer sich nicht mit einfachen Methoden darum drückt.
  • Sie kostet Geld, das wir sparen müssen, weil wir es nicht haben. 

Überhaupt hat die Wehrpflicht eigentlich nur noch zwei Gruppen von Fürsprechern: da sind zum einen die CDU/CSU-Politiker, welche mantramäßig wiederholen, die Wehrpflicht wäre unverzichtbar/unausweichlich/absolut notwendig und ohne sie würde Deutschland von den Tschechen/Österreichern/Polen/Lichtensteinern überrannt werden. Zum anderen gibt es die Standortpolitiker, die um die Arbeitsplätze der Kasernen vor Ort fürchten und darum, dass ihre Orte unter einer weiteren Verkleinerung der Bundeswehr nach der Abschaffung der Wehrpflicht leiden.

Die erste Gruppe ist in ihrer Argumentation an Peinlichkeit schwer zu überbieten. Ihr Hauptsprecher, Horst Seehofer, ist ein Politiker am Ende seiner Karriere der sich seit jeher durch das Fehlen besonderen Weitblicks und eine relative Standlosigkeit ausgezeichnet hat. Seine Behauptung, die Wehrpflicht gehöre zum "Wesenskern" der CSU ist lediglich das Wiederholen von Platitüden, die zwar seit Jahrzehnten von sich gegeben werden, jedoch die veränderte Realität Deutschlands im 21. Jahrhundert völlig ausblendet. Die Bundeswehr hat heute eine professionelle Armee zu sein, die für Auslandseinsätze im Rahmen internationaler Konfliktbewältigung geeignet ist. Sie muss die Territorialverteidigung nur insofern ausüben können, als dass sie in der Lage sein sollte, auf kleine, regional begrenzte Konflikte zu antworten und im Zweifelsfall mit einer Vorlaufzeit von vielen Monaten, wenn nicht eher vielen Jahren eine echte Verteidigungsstreitmacht aufzubauen und bereitzustellen. Dazu braucht es keine Sechs-Monats-Rekruten sondern langjährige Berufssoldaten.Man kann es auch so formulieren: "In sechs Monaten kann man keinen jungen Mann so ausbilden, dass er eine sinnvolle militärische Aufgabe erfüllen kann. Das sollten die Herrschaften aus Bayern auf dem für sie ungewohnten Weg des Nachdenkens mal nachvollziehen" (sagte Klaus Naumann, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr in der BILD). Das kann man problemlos unterschreiben. Auch der endlich aus der Politik geschiedene Roland Koch mit seinem "wir-müssen-die-Bundeswehr-in-der-Gesellschaft-weiter-fest-verankern" übersieht problemlos, dass 65.000 Rekruten in der untersten Hierarchie einer Armee von 250.000 Personen diese weder in der Gesellschaft verankern, noch sonst einen nützlichen Beitrag zur Demokratisierung dieser Armee leisten, sondern eigentlich nur die Fußabtreter für die Launen der ihnen übergeordneten Berufs- und Zeitsoldaten abgeben.

Die Gruppe der Standortpolitiker ist natürlich verstehbar (Horst Seehofer ist übrigens nur zu feige, zuzugeben, dass es auch ihm nur um Standorte geht). Natürlich will jeder Bürgermeister oder Landrat seine Kaserne vor Ort behalten, denn sie bedeutet sichere Arbeitsplätze und viel Infrastrukturmaßnahmen. Aber ihr Begehren muss von oben herab abgewiesen werden, denn Kasernen können keine Wirtschaft ersetzen und die Bundesrepublik sollte nicht ständig Dinge bezahlen, auf die sie verzichten kann und angesichts der Haushaltslage auch verzichten muss. Die politischen Kräfte vor Ort müssen sich nach unbequemeren Quellen für Arbeitsplätze umsehen. Ordnungspolitische Standfestigkeit der Regierung ist hier gefragt - letztlich wie in allen Fragen der Subventionspolitik.

Alles in allem ist Wehrpflicht derart entbehrlich, dass es an Realitätsverweigerung grenzt, sie behalten zu wollen. Auch die Ewiggestrigen von der CDU/CSU werden das in diesem Jahrhundert noch begreifen.

1 Kommentar:

  1. Ich sehe für die Wehrpflicht auch keine Zukunft, sie macht allein Sinn in einem Landesverteidigungsszenario, in welchem man im V-Fall relativ schnell auf eine breite Basis an Wehrpflichtigen und Ex-Rekruten zugreifen muss. Da uns allein die Liechtensteiner an der Kragen wollen, braucht man davon in den nächsten Jahrzehnten erst einmal nicht ausgehen.

    Für alle aktuellen Szenarien ist es besser eine gut ausgebildete und gut ausgerüstete Berufsarmee zu haben. Steckt man also die bisher für die Wehrpflicht vorgehaltenen Ressourcen (Geld und Zeit) in bessere Ausbildung und Ausrüstung von Berufssoldaten, haben wir eine agile und zukunftsfähige Armee.

    Nicht unterschreiben kann ich aber den Satz "In sechs Monaten kann man keinen jungen Mann so ausbilden, dass er eine sinnvolle militärische Aufgabe erfüllen kann." Das ist so nicht richtig, ein normaler Fußsoldat kann nach 2 Monaten militärischer Grundausbildung alles, was er braucht. Selbst spezialisierte Soldaten, wie z.B. Flugabwehr-Raketen-Mannschaften sind nach 4 Monaten einsatzbereit. Das Problem ist hier eher ein Missverhältnis zwischen Kosten und Nutzen: Wenn auf 4 Monate Ausbildung nur 2 Monate Produktivtät folgen, dann macht das wirtschaftlich keinen Sinn.

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