Donnerstag, 9. September 2010

Zivildienst für Rentner

Seien wir doch ehrlich und spinnen ein wenig herum: wer würde es nicht begrüßen, wenn Rentner sinnvolle Arbeiten für die Gesellschaft verrichten würden, anstatt in ihrem Kleingarten herumzuhängen, sich um die Schnitthöhe des Grases in Nachbars Garten zu "kümmern" oder Zeitungsredaktionen mit Leserbriefen bombardieren und das Ordnungsamt mit Anrufen belästigen, weil auf dem Spielplatz die Kinder "viel zu laut" sind? Wer fände es nicht super, wenn Rentner, anstatt ihren Porsche spazieren zu fahren und Bundesstraßen zu verstopfen, sich bspw. um andere, hilfsbedürftige Rentner kümmern würden. Und wäre es nicht eine Spitzengeschichte, wenn sich Pensionäre bspw. um öffentliche Gärten oder Museen bemühen würden, anstatt ihre Pension auf Mallorca zu verprassen?

Richtig: die Rentner würden das nicht begrüßen!  Betrüblich daran ist eigentlich, dass gerade in der Gruppe der über 50-jährigen die Zustimmung zur Beibehaltung des Zivildienstes am größten ist. Ganz offensichtlich hat hier eine Gruppe der Gesellschaft kein Problem, einer anderen Gruppe der Gesellschaft Arbeit aufzubürden - Hauptsache, sie sind nicht selbst davon betroffen. Nun, das wundert natürlich nicht, denn angesichts der generellen Verantwortungslosigkeit der älteren Generation gegenüber den nachkommenden (Stichworte Staatsverschuldung und Umweltverbrauch) ist das natürlich nur ein kleiner Fisch. Denn sei hier nachgehakt und nachgedacht.

Welche generelle Logik steckt eigentlich dahinter, junge Menschen in Form des Zivildienstes einen bestimmten Zeitraum ihres Lebens zwangsweise für einen Dienst heranzuziehen, den auch andere tun könnten? Früher war das mal als Ersatz für den Wehrdienst gedacht und bereits hier war es eigentlich ungerecht. Da die Wehrpflicht inzwischen so gut wie abgeschafft ist, fällt die Ursache des Zivildienstes natürlich weg. Schon seit langem klagen die Sozialverbände deswegen über den Verlust der billigen Arbeitskräfte (wenngleich sie sich natürlich ebenso lange auf die zivildienstlose Zeit einstellen). An dieser Stelle drängen sich zwei Fragen auf: mit welchem Recht wird eigentlich gerade jungen Menschen in dieser zeitkritischen Lebensphase, wo man zwischen Ausbildung und Beruf oder noch mehr Ausbildung steckt und jedes Jahr wichtig ist und zählt, ein solcher Knüppel zwischen die Beine geworfen? Und mit welchem Recht lehnen sich die Pensionäre, Privatiers und Rentner eigentlich mit 58, 60 oder 65 zurück und legen die Beine hoch? 

Die Folgerung ist doch einfach: wenn wir als Gesellschaft bei den jungen Menschen ein halbes, ein oder sogar eineinhalb Jahre ihrer Lebenszeit in Anspruch nehmen, warum dann nicht auch mit denen, die wirklich reichlich Zeit haben, nämlich den Rentnern? Das Land verfügt mit ihnen über ein riesiges Arbeitskräftepotential an Menschen, die nach dem Eintritt in die Rente noch 15, 20 und 25 Jahre leben und - wohlwollend betrachtet - nicht wirklich was zu tun haben. Sie sind überwiegend geistig agil, körperlich gesund und können Segeln, Golfen, Radfahren, Reisen, Shoppen und so weiter. Mit 66 ist heute keiner mehr am Ende seines Lebens. Und im Gegensatz zu jungen Menschen, die heute einen Ausbildungsmarathon durchlaufen müssen, bevor man sie dann freundlicherweise in Form von Praktika in die Berufswelt eintreten lässt und denen daher jedes Jahr kostbar sein muss, haben Rentner eigentlich nur noch die Perspektive "was fange ich mit denn jetzt mit dem Rest meines Lebens an?" Wenn für junge Menschen das Argument gilt, dass der Dienst an der Gesellschaft den Charakter formen möge, dann gilt das für Rentner genauso. Logischer wäre es jedoch, das nicht junge Menschen ein Jahr Lebenszeit opfern dürfen, sondern eben alte. Wenn junge Menschen vom Staat zu etwas gezwungen werden dürfen, warum nicht die Pensionäre? Welche zwingende Begründung gibt es für die jetzige Verfahrensweise? 

Und so, wie sich die Wehrpflichtigen einer Tauglichkeitsprüfung unterziehen müssen, können das die Rentner ja auch. Wer fit ist, wird ein Jahr lang Dienst an der Gesellschaft leisten dürfen.. Dank ihrer lebenslangen Erfahrung ist das gleich doppelt gut: wir bekommen jede Menge nach eigener Lesart hoch qualifizierte Arbeitskräfte in den Dienst am Land, die gleichzeitig ihre ganze, ein Leben lang gesammelte Erfahrung und Weisheit einbringen und vor allem weitergeben dürfen. Ehemalige Ärzte und Köche dürfen in Behindertenwerkstätten arbeiten, Ingenieure, Maurer und Handwerker bei gemeinnützigen Bauprojekten Leitung übernehmen, Politiker und Werber können Vereinen beim Spendensammeln und Organisieren unter die Arme greifen und so weiter. Und wer könnte nicht mit einem freundlichen Lächeln die Ironie begrüßen, wenn die Kleingartenblockwarte unseres Alltages im Stadtpark Blumen pflanzen, Bäume hegen und Beete pflegen dürfen. Ich finde, dass das eine prächtige Idee ist. Und moralisch wäre sie auch. Aber wollen wir wetten, dass die Rentner davon gar nicht viel halten? Denn die Lasten ihres Lebensstils haben sie ja schon seither und zeitlebens bequem anderen aufgebürdet - warum etwas davon zurückgeben?

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