Beim Ansehen der Amtseinführung von Donald Trump habe ich eher auf den scheidenden Präsidenten Obama geachtet, seine Mimik und sein Verhalten. Es war - immer wenn er zu sehen war - tadellos, freundlich, er hat gelacht. Was für ein Gegensatz zu seinem Nachfolger, der bereits in seiner sehr kurzen Rede klarstellte, wo es hingehen würde: America first, Partner unwichtig, grimmiger Blick.
Bei genauerem Überlegen ist es kein Wunder, das Obamas letzter Anruf bei einem ausländischen Staatsoberhaupt Angela Merkel galt. Sie ist zum einen der einzige, wichtige Regierungschef, den er von Anfang an kennt und erlebt hat und der noch im Amt ist (Putin mal ausgenommen und mit dem will man nicht befreundet sein). Es war also eine Geste unter Freunden, soweit das Politikern auf dieser Ebene eben möglich ist und eine Anerkennung unter zwei Menschen, die um die Lasten ihrer Aufgabe wissen. Wichtiger noch scheint mir: beide, Obama und Merkel, sind dezente Menschen und es auch geblieben, trotz der Tatsache, dass sie sich an die Spitzen der Macht vorgearbeitet haben. Sie haben eine zurückhaltende Amtsführung betrieben und nur an den Stellen Führungsstärke gezeigt, wo es darauf ankam. Obama bspw. bei der Jagd nach bin Laden und ACA, Merkel in der Finanz- und der Flüchtlingskrise. Beide denken zuerst nach, bevor sie handeln und sind allgemein der Ansicht, dass Aufgaben von dem erledigt werden sollten, der dafür zuständig ist. Das unterscheidet sie von allen Autokraten und auch von vielen ihrer demokratisch gesinnten Amtskollegen, die sie kommen und gehen sehen haben. Beide sind hoch gebildet und denken komplex statt einfach und haben versucht, in ihrer Amtsführung sachlich und faktisch basiert statt emotionalisiert handeln und sich nicht treiben zu lassen.
Mir ist dadurch auch verständlicher geworden, warum beide heute von einem Teil der Bevölkerung so sehr angefeindet werden. All diejenigen, die heute "Danke Merkel" und "Merkel muss weg" schreien, genauso wie ihre Pendants in den USA, sind sich auf einer unterschwelligen Ebene sehr bewusst, dass sie selbst als Mensch dem Vergleich mit ihren Regierungschef nicht standhalten würden. Sie spüren, dass sie selbst weder zum Führer taugen noch ganz allgemein im Alltag besonders gute Menschen sind. Wie könnten sie das auch: wenn es darauf ankommt, versagen sie: sie weisen den Schutz- und Hilfesuchenden die Tür, sie feinden die Schwachen an und neiden selbst denen, die noch weniger haben, ihren wenigen Besitz. Es sind sehr offenkundig in der Mehrheit die Verbiesterten, die Gemeinen und die Fiesen, die sich bei uns in der AfD oder in den USA bei der Tea Party sammeln.
Unter diesen Anfeindungen zu arbeiten und auch als Mensch zu leben und dabei nicht der Versuchung zu erliegen, mit den Mittel des Amtes explizit gegen diese Gruppen vorzugehen, kann man Obama und Merkel hoch anrechnen. Schließlich haben sie mit Putin, Erdogan, Assad, Duterte und Co. ja genug Beispiele, das man es auch anders machen kann, das man seine Macht egoistisch missbrauchen und für seine Privatzwecke instrumentalisieren kann. Nichts davon war und ist bei Obama und Merkel jemals zu spüren.
Persönlich möchte ich nicht mit Angela Merkel den Platz tauschen. Allmählich muss sie sich ganz schön einsam vorkommen. Keiner der heutigen Regierungschefs der mächtigeren EU-Länder ist als kraftvoll zu bezeichnen oder geht ansatzweise in ihre Richtung bei der Amtsführung. Sie schnattern mehrheitlich einen nationalistischen Ton. Am ehesten ist vielleicht Theresa May auf ihrer Wellenlänge, aber ihr Land hat sich gerade für die eigene Marginalisierung entschieden. Und der wichtigste Partner außerhalb Europas, die Vereinigten Staaten, fällt gerade für mindestens eine Legislatur an eine Person, bei der man nicht abschätzen kann, ob sie nun viel, sehr viel oder irreparabel viel Schaden an dieser Welt anrichten wird. An ihm wird Merkel keine Freude haben und ich bin mir sicher, dass sie sich auch wegen Trump entschieden hat, nochmal zu kandidieren. Ich beneide sie nicht.
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