Viele Webtrends und die Unternehmen, die sie auslösen und befördern, sind eher kurzlebig. Vor 10 Jahren waren es Unternehmen wie GMX, AOL und Yahoo, die den Markt aufmischten, vor 5 Jahren MySpace und VZ, heute sind es Facebook, Twitter und Groupon.
Ich habe diesen Blogbeitrag bereits im Januar 2011 entworfen, seither lag er auf Halde. Die vor kurzem erfolgte Liveschaltung von Google+ hat die ganze Fragestellung erneut aktuell werden lassen: was kommt also nach Facebook und Twitter? Bereits im Januar vermutete ich, dass beide Plattformen in diesem oder im nächsten Jahr ihren medialen, aufmerksamkeitsmäßigen Höhepunkt erreichen. Inzwischen hat sich diese Ansicht eher erhärtet. Sich dem Gezwitscher zu entziehen, ist für eine bestimmte Klientel momentan recht schwer. Nichtsdestotrotz bleibt die Tatsache, dass beide Plattformen über keine echte Bindung ihrer Nutzer an sich verfügen, denn sie produzieren im wesentlichen eine vollständig entbehrliche Dienstleistung, die außerdem auch von anderen Diensten völlig redundant angeboten wird. Es ist halt nicht so, dass Facebook so wie Coca Cola oder BMW einen Markenkern hat, den man im Zweifel der Wahl zwischen verschiedenen Anbietern tatsächlich einfach haben will. Im Gegenteil: Facebook und Twitter kommen eher etwas obskur daher und eigentlich traut man beiden Anbietern nicht so recht. Und das gilt letztlich für viele Webdienste.
Man stelle sich einfach vor, das beide Unternehmen eine monatliche Gebühr von 1 Euro für die Nutzung einführten. Sie würden vielleicht einen spektakulären Gewinn im Jahr erzielen, jedoch auf einen Schlag rund 90 Prozent ihrer Nutzer verlieren. Denn so unterhaltsam es ist, sich an dem Gebrabbel der Millionen zu delektieren - notwendig ist es absolut nicht und es gibt Alternativen. Und damit würden beide Plattformen wieder aus der Aufmerksamkeit der Allgemeinheit verschwinden. Und so wie XING und vielmehr noch die VZ-Netzwerke in der Wahrnehmung im Web inzwischen auf dem absteigenden Ast sind, wird es für Facebook und Twitter mit großer Wahrscheinlichkeit auch kommen. Die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen ist kürzer als früher, ihren Neuigkeitswert haben beide Plattformen inzwischen verbraucht und die Mehrheit aller Menschen selbst in netzaffinen Branchen ist am Gebrauch beider nicht so sehr interessiert, dass die dafür bezahlen würden. Auch ist die Teilnahme weder zur Pflicht geworden noch wird sie selbiges. Die große Selbstreferenziertheit der Inhalte auf beiden Plattformen beschränkt ihre Reichweite obendrein.
Wo liegen also die nächsten großen Trends, denen wir unser öffentliches oder auch privates Leben im Internet anvertrauen wollen. Denn auch mit Vertrauen ist es bei Facebook inzwischen nicht mehr weit her - man muss ja nicht gleich soweit gehen und es als "Zuckerbergs evil empire" bezeichnen - aber inzwischen ist jedem klar, dass Facebook mit den anvertrauten Daten im Prinzip alles tun wird, womit es Geld verdienen kann, Twitter ebenso. Das behindert natürlich kaum jemanden an der weiteren Nutzung, jedoch verursacht es Zurückhaltung und erzeugt keine echte Bindung. Und ob Google+ tatsächlich über die Anfangseuphorie über die nächsten Jahre hinweg eine tragende Plattform wird, sei dahingestellt. Der nächste kommenden Trend könnte daher in der Dezentralisierung der Datenhaltung liegen, dem Verstreuen von von Profilinformationen über vielen Plattformen hinweg mit einem einzigen, zentralen Registrierdienst, der nichts weiter tut, als einen zu authentifizieren - ohne weitere Daten zu sammeln. Witzigerweise ist eine solche Monopolinfrastruktur (ein Dienst zur sicheren Authentifizierung überall) am besten eine staatliche Dienstleistung, vielleicht sogar durch den neuen Personalausweis - da Monopole sinnvollerweise so gut wie immer von Staat gehalten werden sollten. Möglicherweise liegen die Trends aber auch ganz anders. Das Schöne ist: wir wissen es nicht und können uns überraschen lassen.
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