Montag, 30. September 2013

Lieber schwarz-rot als Neuwahlen

Die letzte Woche hat die Wahrscheinlichkeit für eine große Koalition nicht eben steigen lassen. Der dauerirre Populist Seehofer aus Bayern schlägt mit Kalkül möglichst viele Türen zu ("keine Koalition mit den Grünen, PKW-Maut ist Pflicht, keine Steuererhöhungen") um schonmal die Richtung der Sondierungsgespräche vorzugeben. Die Kanzlerin Merkel hat inzwischen die volle Konsequenz ihres Phyrrussieges verstanden und sagt gar nichts mehr. Und in der SPD gehen die Landesverbände reihenweise in Stellung gegen die große Koalition.

Dennoch ist diese auch aus den folgenden drei Gründen das aktuell Vernünftigste:
  1. Neuwahlen könnten die AfD doch noch in den Bundestag bringen. Das gilt es zu verhindern. Die AfD hat sich ewiggestrige Ziele gesetzt. Heute ist sie gegen den Euro und gegen Solidaritat mit Europa. Vor 20 Jahren wären dieselben Leute gegen die Wiedervereinigung, die D-Mark und Solidarität mit dem Osten gewesen. Gegründet von Euroskeptikern wird sie jetzt von Rechtskonservativen und noch schlimmerem überrannt. Das ist keine positive Haltung, sie ist nur kleingeistig und rückwärtsgewandt. Eine Partei rechts der Union darf schlicht nicht in den Bundestag. 
  2. Die personelle Erneuerung der FDP würde durch Neuwahlen gestoppt. Sie könnten das Ergebnis bringen, dass die FDP doch wieder in den Bundestag einzieht - natürlich mit großen Blessuren, aber eben doch knapp - und damit würde schwarz-gelb als Regierung wieder ermöglicht. Das würde in der aktuellen Situation jedoch dafür sorgen, dass der dringend nötige personelle Erneuerungsprozess der FDP nicht weitergeht. Es würden mit gewisser Wahrscheinlichkeit dieselben Personen zurück in den Bundestag und die Regierungsämter kommen, die die Misere der Partei erst verursacht haben. Das darf ebenfalls nicht geschehen. Die FDP muss ihr Spitzenpersonal aktuell personell mehr oder weniger vollständig neu aufstellen und die nächsten vier Jahre dazu nutzen, ihre Glaubwürdigkeit wieder zu erlangen. 
  3. die CDU steht nur fünf Sitze vor der absoluten Mehrheit im Deutschen Bundestag. Durch Neuwahlen bestünde die Möglichkeit, dass sie sie gewinnt. So komfortabel das für die Bundeskanzlerin wäre, so schlecht wäre das für die demokratische Kultur unseres Landes. Es ist geradezu das Wesen der deutschen Demokratie, Kompromisse durch Koalitionsregierungen einzugehen. Und eine Regierung, die nicht zu Kompromissen gezwungen ist, kann auf Dauer keine gute Regierung sein. Die Union darf nicht allein regieren, das beweist sie jeden Tag aufs Neue. 
Insgesamt wäre zurzeit eine große Koalition eher zu begrüßen als Neuwahlen. Aus Sicht der SPD ist die aktuelle Situation natürlich furchtbar: wenn sie in die Koalition geht, wird sie von der Merkel-CDU wie schon beim letzten Mal kannibalisiert werden und die Basis wird rebellieren. Wenn sie es nicht tut, dann wird ihr fehlender Machtwille und mangelnde Kompromissfähigkeit vorgeworfen werden. Für beide Wahlmöglichkeiten gibt es gute Gründe. Eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Als bester Ausweg bleibt ihr vielleicht, jetzt hoch zu pokern und so viel Einfluss in der Regierung wie möglich zu erhandeln - und die Koalition dann bei der erstbesten Gelegenheit zu verlassen.

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