Donnerstag, 17. Dezember 2015

So what? Wir schaffen das ganz offensichtlich.

Die letzten Monate beherrschte die europäische Flüchtlingskrise die deutsche Innenpolitik und die Titelseiten. In den letzten drei bis vier Wochen ist das Thema dann deutlich weniger präsent geworden und es zeigt sich: Wir schaffen das! Was vor allem an zwei Entwicklungen liegt:
  • Zum ersten kommen seit Mitte November deutlich weniger Flüchtlinge über die deutschen Grenzen ins Land. Waren es Mitte Oktober teilweise 10.000 Menschen täglich, so liegen die Zahlen aktuell bei 1.000 bis manchmal 2.000 Menschen täglich. Die Spitzenzahlen des Herbstes sind vorbei, was am Winter und den immer höheren Barrieren liegt, die die Transitländer von Türkei über Griechenland, Serbien, Kosovo, Mazedonien, Ungarn, Slowenien bis Österreich errichten. Die Lage hat sich also deutlich entspannt, wenngleich auch nicht wegen einer Lösung der eigentlichen Ursachen. 
  • Zum zweiten hat sich gezeigt: wir schaffen das. Ich gebe es gerne zu und mache mir ihren Spruch zu eigen: Angela Merkel hat Recht gehabt. Von im großen Ganzen relativ unbedeutenden Ausnahmen abgesehen hat Deutschland die Aufnahme von zurzeit rund einer Million Menschen gut bewältigt. Nichts an unserem Alltag hat sich groß geändert und die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung hat nicht abgenommen. Unsere finanziellen Mittel sind mehr als ausreichend zur Bewältigung der Probleme. Und es zeigt sich, wie schnell die Neuankömmlinge in unserer Gesellschaft "versickern", indem sie einerseits bei Verwandten und Bekannten unterkommen, von Deutschen aufgenommen werden, sich versuchen zu integrieren oder auch weiterziehen. Die Erstaufnahmeeinrichten werden leerer, die Überlastung unseres Apparates nimmt ab, die Situation beruhigt sich, unser Land fliegt nicht auseinander. Warum auch: Wenn zu einer Party mit 80 Leuten noch einer dazukommt, käme auch niemand auf die Idee, "Das Boot ist voll" zu schreien. Wer es doch tut, ist ein Idiot. 
Alles in allem also ein guter Zeitpunkt, sich zu fragen, was die ganze Aufregung des Herbstes sollte? Und auch, was wir tun können, um den nächsten Sommer nicht zu einem ähnlichen Desaster werden zu lassen.

Aber es ist trotz aller Fragen eine gute Gelegenheit, sich auf die Schultern zu klopfen und stolz auf Deutschland zu sein. Nach wie vor sind wir neben Schweden das einzige europäische Land, dass seiner selbstgewählten Verpflichtung freiwillig nachgekommen ist, Menschen Asyl zu gewähren. Während sich - mit Ausnahme Ungarns - vor allem die osteuropäischen EU-Länder immer noch feige wegducken und auch der Rest der EU keine gute Figur macht, hat Deutschland die Grenzen offen gelassen und sich darum gekümmert, dass die Menschen auf der Flucht ein Ziel haben konnten, dass ihnen nicht die Tür vor der Nase zu schlägt. In diesem Herbst waren wir auch medial das einzige Land Europas, dass dem Begriff "Nächstenliebe" tatsächlich nachhaltigen Wert verliehen hat.

Und gemäß dem Satz "Ein Prinzip ist erst dann ein Prinzip, wenn es Dich etwas kostet", hat die übergroße Mehrheit der deutschen Gesellschaft gezeigt, dass uns das Asylrecht etwas wert ist, auch und gerade in schwierigen Zeiten. Das macht mich stolz. Und es beschämt die sich "Christlich-Sozial" nennende Union, die das gerade nicht wollte und hasenfüßig verkündet, das Ende der Welt wäre nahe. Es beschämt natürlich vor allem alle Protagonisten des rechten Randes, beginnend mit der AfD und allen anderen nationalistischen und fremdenfeindlichen Gruppen, die in dieser Zeit ihr wahres Gesicht gezeigt hat: das des Hasses und der Furcht vor dem Unbekannten und die ihren Unwillen, sich mit den stetig neuen Anforderungen der Welt auseinanderzusetzen, deutlich bekundet hat. All das führt nur zu deutlich vor Augen: sie können es nicht.

Für Angela Merkel hingegen gilt, dass sie mit dieser Herausforderung doch noch das Herzensthema ihrer Kanzlerschaft gefunden zu haben scheint. Denn eines ist klar, und das wird auch vielen Beobachtern im Ausland und vor allem Immigranten bewusst sein: es hat ihres ganzen politischen Schwergewichts, all ihrer ruhigen Hand und vermutlich vieler ausstehender Gefallen bedurft, um in dieser Situation weder von ihrem Kurs abweichen zu müssen, noch vom Thron gestoßen zu werden. Und wenn sie sich dafür entscheidet, in 2017 nochmal als Kanzlerin zu kandidieren, dann sicher in dem Bewusstsein, dass egal wer ihr nachfolgen würde, dieser die Politik unserer offenen Grenzen beenden würde. Wenn sie also erneut antritt, dann, so meine ich, nur wegen dieses Themas und der ihr innewohnenden moralischen Verpflichtung. Unter diesem Aspekt - und nur diesem Aspekt - wäre eine weitere Kanzlerschaft ihrerseits wünschenswert. Aus vielerlei Gründen wünsche ich nicht, dass dies unter Beteiligung der FDP geschieht, aber im Hinblick auf die aktuelle Krise mag das eine nachgeordnete Überlegung sein. Auch hier wird gelten: wir schaffen das. 

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