Donnerstag, 5. November 2009

Die liberalen Bundesminister - eine Polemik

Die neue schwarz-gelbe Bundesregierung hat ihre Arbeit aufgenommen. Wir dürfen also gespannt sein, ob insbesondere unsere liberalen Minister die Erwartungen vor allem der liberalen Wähler erfüllen können und werden. Wie immer gilt an solcher Stelle: man muss einer neuen Regierung Zeit lassen. Deutschland zu steuern gleich vielmehr, am Ruder eines Supertankers zu stehen als an dem eines Schnellbootes. Kursänderungen brauchen Zeit und viel Energie, um wirksam zu werden.
Fragen wir uns also zunächst, ob die liberalen Regierungsmitglieder Ihren Posten gewachsen sind und was wir von ihnen erwarten dürfen:
  • Guido Westerwelle, Außenminister: erwartungsgemäß hat Guido meine persönliche Hoffnung enttäuscht, er würde nach mehr als dem unspektakulären und heutzutage weitgehend kompetenzlosem Außenministerium greifen. Er möchte in Genschers Fußstapfen treten - dabei wird das niemand mehr können, denn Deutschland ist nunmal schon wiedervereinigt. Und wenngleich jeder vernünftige Patriot nur zu gern das Saarland gegen Elsaß-Lothringen eintauschen würde, so bleibt die Vermutung, das auch Guido diese historische Großtat nicht vollbringen wird. Insofern: was bleibt Guido im Auswärtigen Amt zu tun, in dem sich auch Frank-Walter Steinmeier in den letzten vier Jahren zwar beliebt, aber nicht sehr nützlich gemacht hat? Ohne Zweifel hat Guido das Rüstzeug zu einem guten Außenminister: Redegewandtheit, Ernsthaftigkeit, Verbindlichkeit, kein lautes Auftreten. Ob er an dieser Stelle sein Talent nicht jedoch vergeudet, bleibt abzuwarten. Hätte er es ernster mit einem “Dienst an der liberalen Sache” gemeint, hätte er jedenfalls ein anderes Ministerium gewählt - eines, in dem man auch etwas für die liberale Sache in Deutschland tun kann.
  • Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Justizministerin: immerhin mehr als nur ein Hoffnungsschimmer, ohne Frage. Nachdem Schäuble als Innenminister zum Glück nicht länger Schaden am Grundgesetz und den Bürgerrechten und somit eben auch den Bürgern dieses Landes anrichten kann, hoffe ich, das Sabine ihrem Ruf gerecht wird. Sie muss ebendiese Bürgerrechte stärken, die Freiheiten der Menschen wieder ausdehnen, den Staat zurückdrängen und den grundgesetzlichen Freiheiten wieder ihre eigentliche Geltung verschaffen. Der Leitsatz muss gelten: “Wer die Freiheit der Sicherheit opfert, hat beides nicht verdient.” Auf sie wartet viel Arbeit, insbesondere die, den Schaden wiedergutzumachen, welcher von ihrer Vorgängerin Zypries und Schäuble an der Freiheit, der Privatsphäre und den Rechten der Menschen in Deutschland angerichtet worden ist.
  • Rainer Brüderle, Wirtschaftsminister: Ich behaupte mal sehr dreist, dass man hier insbesondere als Liberaler nicht viel Schaden anrichten kann. Das Wirtschaftsministerium ist leider nur ein fader Ersatz für das Ministerium, das wir eigentlich hätten besetzen sollen: nämlich das Finanzministerium mit Hermann-Otto Solms. Solms hätte ein Ministeramt zum einen mehr verdient als Brüderle, Niebel und Rösler zusammen und zum anderen ist das Finanzministerium eines mit tatsächlicher Macht. Ohne den Finanzminister geht nichts in diesem Land, das war schon immer so. Der Finanzminister entscheidet, wenn er stark ist, über Wohl und Weher ganzer Abteilungen (und somit den zu besetzenden Themen) in anderen Ministerien und darüber, wer wieviel Geld hat. Der Finanzminister ist nach dem Kanzleramt DAS Amt überhaupt in Deutschland. Das Wirtschaftsministerium ist für die Wirtschaft jedoch verzichtbar - sie kommt ohne den Wirtschaftsminister meist besser zurecht, als mit demselben. Das hat schon Ludwig Erhardt gezeigt. Sein große Leistung bestand im Wesentlichen darin, nicht sehr viel zu tun. Und das muss man gerade als Minister heute auch können. Denn im Zweifelsfall machen Politiker mehr kaputt als richtig, wenn sie versuchen, Manager zu sein: Bremer Vulkan, Philipp Holzmann, Quelle, Opel zeigen das deutlich. Brüderle wird seinen Job ganz anständig machen - aber ein richtiges Ministerium wäre der liberalen Sache angemessener gewesen.
  • Philipp Rösler, Gesundheitsminister: man kann ihm nur viel Glück wünschen. In der Schlangengrube zwischen Krankenkassen, Pharmaunternehmen, Ärzteschaften und Patienten, die alle gleichermaßen ihre jeweils eigenen und interessanterweise oft überhaupt nicht kompatiblen Ansprüche haben, kann man jeden Tag aufs neue die Lunte an das Pulverfaß legen, auf dem man selber sitzt. Philip wird viel Mut, reichlich Glück und eine Menge Nerven brauchen, um das kranke Ding namens Gesundheitsfonds ableben zu lassen und dafür ein sinnvolles System zu etablieren. Nötig ist es allemal. Aber er ist jung genug, um den Mut und die nötige Naivität dazu zu haben und er ist in seinem Alter und bei seinem Beruf auch nicht auf seinen Ministerposten angewiesen - hat er doch selbst gesagt, mit 45 wieder aus der Politik gehen zu wollen. Das ist perfekt: dann hat er jetzt genau zwei Legislaturperioden Zeit um zu beweisen, dass die FDP keine Apothekerpartei ist, sondern das Wohl aller Patienten im Auge hat. Also ran…
  • Dirk Niebel, Entwicklungshilfeminister: Tja, es ist schon peinlich, einem Ministerium vorzusitzen, das man selbst noch vor der Wahl als abzuschaffen deklariert hat. Und auch als Liberaler darf man sich die Frage stellen: was soll das eigentlich? Warum konnten wir dieses überflüssige Ministerium nicht dem Außenministerium zuschlagen (damit man dort a bisserl was zu tun hat) und stattdessen ein Europa- und Integrationsministerium aufmachen? Oder ein reines EU-Ministerium? Oder ein Migrationsministerium? Oder ein IT-Ministerium? Also Ministerien, die Sinn machen und die im Deutschland des 21sten Jahrhunderts benötigt werden? Es hätte genug Ideen geben können, aber dazu war man offenbar zu faul. Und wieso sich Dirk Niebel - im Gegensatz zu Solms - ein Ministerium verdient hat, darf in der Tat außerdem gefragt werden. Nun gut… vielleicht wollte wirklich sonst niemand dieses Ministerium haben, das kann schon sein. Und dann ist es auch gerechtfertig, wenn Dirk es bekommt. Aber ein Glanzlicht ist diese Aktion nicht gewesen und für uns peinlich obendrein. Hier wäre weniger mehr gewesen.
Insgesamt sieht es also so aus: Außenminister Westerwelle wird eingeklemmt zwischen Superaußenministerin Merkel und Nebenaußenminister zu Guttenberg, Brüderle bekommt das farblose Wirtschaftsministerium und Dirk das machtlose Entwicklungshilfeministerium. Letzten Endes haben die Liberalen also mit 14,6% der Wähler zwei Ministerien bekommen, die Sinn machen: Justiz und Gesundheit. Und die weiteren wirklich mächtigen Ministerien neben dem Kanzleramtsminister, nämlich Finanzen, Verteidigung und Verkehr&Bau liegen woanders. Am besten hat es eindeutig die CSU getroffen. Mit ihren mickrigen 6,5% hat sie drei Ministerien erhalten, zwei davon sehr mächtig, nämlich Verteidigung und Verkehr&Bau. Und das Agrarministerium ist quasi das Zuckerl obendrauf, weil man damit in Bayern die Bauern glücklich machen kann. Und die FDP bekommt mit mehr als doppelt soviel Abgeordneten als die CSU ebenfalls nur zwei mächtige Ministerien. Ein wirkliches Glanzstück ist diese Aufteilung nicht. Aber sei’s drum: jetzt haben wir vier Jahre Zeit zu zeigen, das wir regierungsfähig sind und in vier Jahren hat sich hoffentlich die CDU eine Führungsfigur besorgt, die auch wirklich führen will - und nicht bloß Macht verteilen.

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