Samstag, 13. Februar 2010

Steuerrecht und -unrecht

Man weiß wirklich nicht, auf welche Seite man sich in der Debatte um den Ankauf offenkundig gestohlener Daten von deutschen Steuerbetrügern stellen soll: auf die Seite der ausländischen Regierungen und Banken, bei denen die Daten entwendet wurden oder auf die Seite des deutschen Staates, der seine Bürger zur Zahlung der geschuldeten Steuern bringen muss. Klar ist, dass man sich dem Problem weder rein rechtlich, noch rein moralisch oder nur finanziell nähern kann, sondern das beide Seiten jeweils gute Argumente haben. Diese sollte man näher beleuchten.

Für den Kauf der angebotenen Daten sprechen vor allem diese Argumente:
  • Jeder Staat muss die Steuerpflicht aller Bürger größtmöglich durchsetzen, er ist in seiner Existenz darauf angewiesen. Es gibt nur wenige Dinge, die schädlicher für ein Gemeinwesen sind, als wenn ein relevanter Bestandteil der Bevölkerung das Gefühl hat, es müssten oder würden nicht alle Bürger gleichermaßen Steuern bezahlen. Ebenso wenig kann es angehen, dass bestimmte Bevölkerungsschichten der Ansicht sind, ihre Steuerhinterziehung wäre moralisch, juristisch oder sonstwie gerechtfertigt. Das Problem für Deutschland ist, dass die antiquierte schweizerische Handlungsweise - Bankgeheimnis um jeden Preis - die ausländischen Steuerbehörden geradezu zwingt, die für ihre Arbeiten nötigen und wichtigen Daten auf illegalem Weg zu erlangen - denn auf legalem Wege ist kein Herankommen daran.Ob die Schweizer da klug handeln, darf man sich sicher fragen. Wenn sich ein ganzes Land auf das Bankgeheimnis als Identitätsmerkmal stützt, fehlt es eventuell an sonstigen, klugen Leitlinien für dasselbe. Die Schweiz hat es einfach nicht nötig, sich derart falsch zu orientieren.
  • Mit dem Kauf und der Verwertung der Daten trifft es keine armen Schlucker. Selbstverständlich sollten wir uns von dem Gefühl fernhalten, dass Reichtum etwas Schlechtes ist und alle Reichen per se umso mehr Steuern und Abgaben bezahlen sollten, je mehr sie besitzen. Dieses Denken ist schädlich, denn es führt zur einer leistungsverweigernden Gesellschaft - und diese wiederum in die Armut aller. Reichtum ist wichtig und nützlich für das Wohl aller. Dennoch müssen die Wohlhabenden einer Gesellschaft ihren Anteil leisten. Denn auch sie können ihren Wohlstand nur geniessen, wenn der Staat die dafür nötigen Rahmenbedingungen setzen: Sicherheit, Freiheit, Kultur, Gleichheit.
  • Moralische Gerechtigkeit: es kann eine Sache nicht grundsätzlich falsch sein, wenn ein relevanter Anteil der Menschen sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz der Ansicht ist, dass Steuerhinterziehung und Steuerbetrug geahndet werden muss. Wenn nun also Schweizer Banken einen relevanten Teil ihres Geschäftsmodells auf Aktivitäten, die in der Mehrheit der Länder dieser Welt als nicht-legale angesehen werden, gründen, steht dem Datendieb sozusagen der Notstand als Rechtfertigung zur Seite. Ein andere Wahl bleibt der entsprechenden Regierung ja auch kaum.
Gegen den Kauf sprechen vor allem diese Argumente:
  • Das die infrage kommenden Daten gestohlen sind, dürfte jedem klar sein. Es gibt kein glaubwürdiges Szenario, in welchem die Datenverkäufer legal in den Besitz der Daten gekommen sein könnten UND die legale Möglichkeit zum Verkauf derselben erhalten haben könnten. Das sich der deutsche Staat gestohlener Ware bedienen will, ist mindestens fragwürdig, und im schlimmsten Fall machen sich die handelnden Personen strafbar. In dieser Unsicherheit würde ich als Finanzbeamter, Datenankäufer o.ä. beteiligte Person nicht leben wollen. Möglicherweise haut hier jedoch nur ein Betrüger (der Datendieb) einen anderen (die Bank, die Beihilfe zum Steuerbetrug leistet), übers Ohr.
  • Die diplomatischen Beziehungen zur Schweiz sind aktuell nicht gerade auf dem Höhepunkt, ebenso wie mit Lichtenstein. Nun könnte man zwar einwenden, dass diese Länder ja selbst schuld seien, sie müssten ja nicht den Staatsbürgern anderer Nation zum Steuerbetrug verhelfen. Andererseits ist es eben das souveräne Recht eines Landes, seine Gesetzgebung so zu gestalten, wie es dies für richtig hält - egal was andere Länder und deren Bürger davon halten. Wir verbitten uns ebenso Einmischungen in unsere Gesetzgebung. Gerade für die Schweiz ist ihre Neutralität, ihre Unabhängigkeit und ihre Selbständigkeit seit jeher ein wichtiges, identitätsbildendes Element. Und das will sie sich natürlich erst recht nicht von den seit jeher als überheblich und aggressiv empfundenen Deutschen "abkaufen" lassen. Ehrlicherweise muss man allerdings sagen: die Mehrheit der Schweizer hat kein Problem mit einer Aufhebung des Bankgeheimnisses zugunsten ordentlicher Steuerverfolgung. Es sind eher die paar übrigen Großbanken, welche durch Verflechtung und Druck auf die Regierung daran festhalten, weil ihr Geschäft damit glänzend läuft.
  • Der Kauf der Daten animiert selbstverständlich auch Nachahmer. Banken können sich immer weniger sicher sein, ihren Mitarbeitern umfassend vertrauen zu können, wenn diese die folgende Überlegung im Kopf haben: "wenn ich nur genügend Kundendaten zusammenbekomme und diese an eine ausländische Finanzverwaltung verkaufen kann, komme ich damit in diesem Land ungeschoren davon, obwohl ich gegen das Gesetz verstosse, meinen Arbeitgeber täusche und das Vertrauen meiner Kunden missbrauche." Nun habe ich selbstredend keine Sympathie für derartige Kunden, aber grundsätzlich hat zu gelten: jedem müssen zunächst mal redliche Gründe unterstellt werden, sein Geld sonstwo anzulegen, bis das Gegenteil bewiesen wurde. Vorabverurteilungen oder Vermutungen sind Gift für Vertrauen und Vernunft, für einen zivilisierten und fruchtbaren Umgang miteinander.
Grundsätzlich könnte man die Dinge aber auch geschickter angehen: statt sich an die Schweizer Regierung zu wenden, könnte sich Deutschland auch direkt die jeweilige Bank vorknöpfen. Unter Androhung bestimmter Maßnahmen, bis hin zum Entzug der Geschäftslizenz für Deutschland, müssen die betroffenen Banken viel eher mitspielen, als wenn sich diese hinter der Schweizer Bundesregierung verstecken können.

Letztlich darf man bei der Diskussion als Gesamtfazit vermutlich dieses ziehen: wägt man alle betroffenen Güter gegeneinander ab, dann ist für das Wohl des Deutschen Volkes eine gerechte Steuererhebung wichtiger als das Ansehen des Landes in der Schweiz. Das Datenschutzrecht eines anderen Landes wiegt weniger schwer als die Pflicht unserer Bürger zur Steuerzahlung. Steuerbetrüger sollten sich nicht sicher fühlen dürfen. Da derart angebotene Daten für unser Land mitunter die einzige Möglichkeit sind, Steuerbetrügern auf die Schliche zu kommen, sollten wir diese nutzen. Legale Wege wären schöner, aber wenn es diese nicht gibt, bleibt uns keine Wahl.

P.S. Immerhin hat die Berichterstattung und allein das Drohszenario schon etwas gutes bewirkt: haufenweise zeigen sich Steuersünder selbst an, um möglichen Strafen zu entgehen. Egal wie qualitativ die Daten nun tatsächlich sind - die Steuereinnahmen steigen auch schon ohne sie.

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