Freitag, 29. November 2013

Ein fundamentales Mißverständnis

Nun konnten sich die Verhandlungsführer von CDU, CSU und Union doch auf einen - furchtbar missglückten - Koalitionsvertrag einigen. Dessen Umsetzung kann Deutschland nur beschädigen und um des Landes willen steht zu hoffen, dass die SPD-Basis das Vorhaben stoppt. Ironischerweise muss man aus sozialdemokratischer Sicht sagen, dass sich viele Forderungen der SPD in dem Vertrag wiederfinden. Im Sinne guten demokratischen Kompromiss-Konsens haben die SPD-Verhandlungsführer ihren Mitgliedern alle nötigen Anreize zur Zustimmung geliefert, die sie mit ihrer eigentlich eher begrenzten Verhandlungsmacht, errungen durch 25,7% der Wählerstimmen, herausholen konnten.

Die letzte Hoffnung für Deutschland ist, dass die SPD-Vorderen eine Sache fundamental missverstanden haben: es ist einem großen Teil der SPD-Mitglieder völlig zu Recht völlig egal, was im Koalitionsvertrag exakt steht und wie viele sozialdemokratische Kernforderungen durchgesetzt worden sind. Viele SPD-Mitglieder wollen schlicht um keinen Preis eine Koalition mit der Union, in der Angela Merkel an der Spitze steht. Und sie wollen auch die Protagonisten der Großen Koalition aus der SPD nicht in Ministerämtern sehen. Denn zu gut steht allen Genossen noch das Beispiel der letzten Großen Koalition und das jüngste Schicksal der FDP vor Augen, die von der Union jeweils einzeln und mit großem Genuss an die Wand gedrückt wurden. Merkel ist für viele ein Schreckgespenst der kalten Macht. Es ist verständlich, dass die SPD-Mitglieder hier zurückschrecken.

Es steht im Sinne des Landes zu hoffen, dass die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag mit der Union ein schallendes "Nein" entgegenhält und die Union dann die Scherben ihrer egoistischen Koalitionspolitik allein zusammenkehren lässt. Soll die Union mit ihrer Kanzlerin doch allein regieren und eine Minderheitsregierung mit - wohlgemerkt - lediglich fünf Stimmen unterhalb der absoluten Mehrheit formen. Das hält Deutschland eher aus, als diese Große Koalition. Stabilität einer Regierung ist ja grundsätzlich wünschenswert, aber die satte, selbstbedienerische Koalition, die nun dräut, ist nicht stabil, sondern schrecklich. Oder es gibt eben Neuwahlen, wenn es heute noch nicht mit den Grünen geht. Bei Neuwahlen käme vermutlich die FDP doch wieder in den Bundestag. Für die Partei wäre das nicht erfreulich - aber für das Land das Beste, was ihm im Angesicht dieses Koalitionsdesasters passieren kann. In diesem Falle kann man nur hoffen, dass sich die Liberalen der schäbigen Behandlung durch die Union erinnern werden. Sollten die Genossen "Nein" sagen, ist das dann auch hoffentlich das politische Ende von Sigmar Gabriel & Andrea Nahles, den Hauptverfechtern der Großen Koalition.

Nebenbei bemerkt kann man feststellen, das der CDU ihr schönes 41%-Wahlergebnis nur wenig gebracht hat. Im Bundestag hat sie keine Freunde mehr, nachdem die FDP dort aktuell nicht vertreten ist. Bislang hatte die Union neun Ministerien, jetzt gibt es nur noch acht. Davon entfallen drei für die mit ihren 7,1 Prozent der Stimmen völlig überrepräsentierte CSU. Sechs Ministerien gibt es für die SPD. Teilt man die Ministerien nach Wahlergebnissen auf, sähe das anders aus. Bei 41,5% für die Union und 25,7% für die SPD müsste die Union von vierzehn Ministerien eigentlich neun erhalten, davon sieben für die CDU und zwei für die CSU. Der SPD stünden fünf zu. Statt dessen hat die CDU nun fünf. Gewinner sehen anders aus und man sieht auch am Koalitionsvertrag, wie stark sich die Union verbiegen musste, um die SPD locken zu können. Sie hat so gut wie all ihre Positionen geräumt, es bleibt der reine Wille zur Macht ohne eigene Positionen. Bleibt zu hoffen, dass die SPD-Basis das Missverständnis aufdeckt und "Nein" sagt.

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