Freitag, 13. Dezember 2013

Basisdemokratie und Mitgliederentscheid

Nun gilt es. Morgen nachmittag werden wir wissen, ob die SPD-Mitgliederschaft die Große Koalition mit der Union eingehen will. Bei einer voraussichtlichen Teilnahme von mehr als 300.000 der rund 475.000 Parteimitglieder kann man von einem absolut qualifizierten Votum der gesamten Partei sprechen. Der Mitgliederentscheid an sich ist ein durchaus mutiges Lehrstück an Demokratie. Man sollte an dieser Stelle darauf verweisen, dass es die FDP war, die Ende 2011 mit dem Mitgliederentscheid zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Ende den Vorreiter in Sachen innerparteilicher Demokratie gegeben hat. Die Auseinandersetzung hätte im Fall des Erfolgs der ESM-Gegner konkret dazu führen müssen, dass die FDP-Bundestagsfraktion und die liberalen Regierungsmitglieder - hätten sie den Mitgliederwillen umgesetzt - Stellung gegen den ESM beziehen und somit die deutsche Zustimmung hätten verhindern müssen. Und hätte Deutschland dem ESM nicht zugestimmt, wären Griechenland und Portugal heute mit großer Wahrscheinlichkeit keine Euro-Mitglied mehr, die europäische Staatsschuldenkrise hätte sich verschärft und würde auch heute noch weitaus stärker andauern (stattdessen: welche Krise eigentlich?)

Die SPD hat sich mit dem Mitgliederentscheid zur Großen Koalition vermutlich auch keinen Gefallen getan. Künftige Parteivorstände werden es wesentlich schwerer haben, mit ungebundenen Händen Koalitionen auszuhandeln und einzugehen, ohne einen möglichst großen Kreis an Parteimitgliedern einzubinden. Das macht Verhandlungen schwieriger und Entscheidungen langsamer. Siehe heute: fast drei Monate nach der Bundestagswahl hat Deutschland immer noch keine Regierung, die die Bundestagsmehrheit hinter sich hat und somit keine Gesetzesvorhaben erfolgreich umsetzen kann. In relativ ruhigen Zeiten wie diesem zweiten Halbjahr 2013 ist das vielleicht gefahrlos möglich. Wäre uns das auf dem Höhepunkt der Krise in 2011 passiert, wären die Folgen wesentlich gravierender gewesen. Und für ein großes, in Europa wichtiges Land ist eine handlungsunfähige Regierung nichts, was man sich als Bürger wünschen kann.

Insofern kann man sich derart viel Demokratie möglicherweise nicht immer leisten und es sollte aus diesem Präzedenzfall nicht unbedingt die allgemeine Verfahrensweise werden. Ein Parteivorstand sollte letztlich auch das Vertrauen und die Zustimmung der Mitgliederschaft, die ihn gewählt hat, genießen. Er sollte Entscheidungen über das Eingehen einer Regierungskoalition treffen und gegebenenfalls auch gegen den Willen der Mehrheit der Mitglieder agieren können. Diese können ihn dafür im Gegenzug ganz normal abwählen oder in ernsteren Fällen auch zu außerordentlichen Zeitpunkten absetzen. Das ist simple Demokratie und Teil des normalen, laufenden Prozesses. Wenn Vorstände nicht mutig genug zu solchen Entscheidungen sind, sind sie möglicherweise auch nicht mutig genug um die in der Regierung nötigen, harten Entscheidungen treffen zu können. Es stellt sich also auch die Frage, ob ein solches Verfahren die richtigen Leute an die Spitze stellt.

Wenn die SPD-Mitglieder nun also morgen mehrheitlich dem Koalitionsvertrag zustimmen, ist zumindest allen Deutschen bewusst, dass es nicht der Parteivorstand war, der sich um Posten gebalgt hat und deswegen locken hat lassen, sondern die SPD-Mitglieder haben die Große Koalition - selbst nach den Erfahrungen von 2005 bis 2009 - erneut und diesmal basisdemokratisch und willentlich herbeigeführt. Ihren Vorstand können sie jedenfalls nicht mehr verantwortlich machen. Und der Rest von Deutschland kann die SPD als Ganzes verantwortlich machen.

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