Montag, 24. Juli 2017

Aus dem Brexit wird wohl doch etwas

Vor einem guten Jahr hatte ich kurz nach dem Brexit-Referendum geschrieben, das aus dem Brexit meiner Ansicht nach nichts würde. Dabei habe ich mich ganz offensichtlich geirrt und es interessierte mich nun, warum das eigentlich so ist.

Der Hauptgrund ist, dass der damalige Premierminister Cameron, die britische Öffentlichkeit (und natürlich ich selbst) ganz offensichtlich unterschätzt haben, wie wenig die neue Premierministerin May doch für die EU übrig hat. Davon wir ich sehr überrascht. Man erkennt am gesamten bisherigen Handeln Mays, dass sie von Anfang an sehr klar vorhatte, den Brexit zu ihrem Projekt zu machen. Am deutlichsten wurde das dadurch, dass sie - nach einem guten dreiviertel Jahr des Hinhaltens - zuerst(!) den Austritt via Artikel 50 getriggert und erst direkt danach Neuwahlen ausgerufen hat.

Schließlich hätte sie nichts daran gehindert, es genau andersherum zu machen und nach der Ankündigung der Wahlen zu sagen "Wählt mich, und ich werde das Referendum ignorieren", so wie von mir letztes Jahr beschrieben. Vermutlich ist May mit der ganzen Situation auch in einer gewissen Art und Weise überfordert, denn zumindest würde sich ein rationaler Führer anders verhalten, als sie es tut.

May hat den Brexit ganz offensichtlich als ihr Projekt adaptiert und will damit ihre "Regenschaft" verknüpfen. Das ist nicht unverständlich, schließlich wäre sie ohne den Brexit wohl nicht zu ihrem heutigen Amt gekommen. Sie hat sich allerdings - wie die gesamte Brexit-Kampagne - sehr verkalkuliert, wie sehr der gesamte Austrittsprozess das Land doch verunsichern würde. Schließlich ist es viel einfacher, im Schulhof zu stehen und zu krakelen, man wolle hier raus als dann tatsächlich raus vor die Mauer geschoben zu werden, mit der Ansage "Jetzt sieh zu, wie Du allein zurecht kommst".

Ich bin allerdings ehrlich gesagt bei weitem nicht überzeugt, dass der Brexit für Großbritannien zu einem völligen Desaster werden wird. Schließlich gibt es ja auch halbwegs erfolgreiche Länder außerhalb der EU. Wenn heute in der Welt eine nach-unten-Korrektur des Wirtschaftswachstums von 0,3% nach unten als "massiv" beschrieben werden, ist das lächerlich. 0,3% sind noch nicht mal die Schwankungsbreite der statistischen Auswertungen. Was den Briten aktuell und bis zum Austritt Probleme bereitet, ist die andauernde Unsicherheit über den Kurs Großbritanniens, verursacht durch die selbst verschuldete Schwäche der jetzigen Regierung. Ohnehin verhalten sich die britische Führung und ein guter Teil der Briten auch nicht besonders clever, wenn es darum geht, zu einem guten Vertrag über die künftigen Beziehungen zu kommen. Immerhin dürften zwei Dinge klar sein: 27 Länder sind stärker als eines und Bockigheit hilft beiden Seiten nicht.

Für die Kabarettisten wird wohl am lustigsten sein, das Großbritannien kaum darum herum kommen wird, auch in Zukunft die meisten der EU-Binnenmarktregeln anzuwenden - auf Basis eigener Gesetzgebung - wenn es einen privilegierten Zugang zum EU-Markt haben möchte, aber dann nicht mehr bei deren Gestaltung mitreden darf. Das ist die Steilvorlage für jeden Komiker.

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