Montag, 18. August 2014

Wenn Kritik zum Nachtreten wird

Die FDP schreitet von Untergang zu Untergang, das kann man nicht übersehen. Nun steht Anfang September mit Sachsen die letzte liberale Regierungsbeteiligung zur Disposition und die Partei erreicht dort vielleicht vier, fünf Prozent. Der Wiedereinzug in den Landtag ist trotz guter Regierungsarbeit ungewiss.

Inzwischen ist mir jedoch völlig unklar geworden, woran diese nachhaltig schlechten Umfrage- und auch Wahlergebnisse liegen und das will einiges heißen. Um die aktuell so geringer Wählergunst nachzuvollziehen, ist ein Blick in die Vergangenheit hilfreich. Bereits kurz nach dem Beginn der schwarz-gelben Koalition 2009 ist die Unzufriedenheit mit der liberalen Regierungsbeteiligung schnell angestiegen. Ich habe mich damals mit meiner Kritik kaum zurückgehalten, das in mehreren Blogbeiträgen auch sehr deutlich gemacht und schließlich im Herbst 2010 die Rückkehr in die Opposition als einzigen Ausweg aus der Misere gekennzeichnet. Das Ergebnis ist bekannt: die westerwellesche Bundestagsfraktion hat den falschen Weg gewählt und ist dafür aus dem Parlament verschwunden. So zahlt sich also Nibelungentreue aus und die Tatsache, das man nicht genug - um es mal salopp zu sagen - Eier in der Hose hatte, einen echten Aufstand zu wagen, Westerwelle tatsächlich aller Ämter zu entheben um noch während der Legislatur einen Neuanfang zu wagen. Mein Mitleid war also begrenzt, aber die Strafe erscheint mir auch heute noch übermäßig hart. Denn schließlich traf der Verlust der Bundestagsfraktion nicht nur die Abgeordneten, sondern auch die Mitarbeiter, die übergangslos auf der Straße standen. Fast anekdotisch sei bemerkt, dass ein Arbeitgeber, der so mit seinen Mitarbeitern umginge, von den Gewerkschaften in der Luft zerrissen würde. Wenn es um Angestellte des politischen Gegners geht, ist man dann weniger gesittet.

Seit dem sehenden Auges herbeigeführten Untergang der Bundestagsfraktion haben so gut wie alle Protagonisten desselben ihre Positionen verlassen bzw. sie verloren: Westerwelle, Pieper, Niebel, Homburger, Wissing, Fricke, Burgbacher und so weiter sind alle weg und nicht mehr in der Partei aktiv, die sie so vehement ins Nichts geführt haben. Das kann man gut oder schlecht finden, ist jedoch schlichte Tatsache und sie haben für ihre Inkompetenz teuer bezahlt. Dabei haben sie dann auch noch alle Unschuldigen wie z.B. Philipp Rösler oder Hermann Otto Solms mitgerissen. Während des Niedergangs in der öffentlichen Meinung hat die FDP, bis auf besagtes Sachsen alle Regierungsbeteiligungen und viele Fraktionen verloren. Sie ist in der medialen Öffentlichkeit wieder und wieder niedergeknüppelt worden, auch nachdem die verantwortlichen Protagonisten längst die Bühne verlassen haben.

Man sollte eigentlich annehmen, dass der Wähler die verantwortlichen Protagonisten durch Nicht-Wählen der Partei bestrafen wollte. An den von der FDP vertretenen Themen kann es kaum liegen, denn es sind heute dieselben wie 2009, als sie damit fast 15% erzielte und damals waren es dieselben wie 2005 und 2001, als ihr Wiederaufstieg begann. Man könnte angesichts der verdienten Strafe für die Verantwortlichen auch annehmen, dass es irgendwann auch mal gut sei mit dem Nachtreten. Daran indes, denkt der Wähler offenbar nicht und tritt munter weiter auf den am Boden liegenden nach.

Mir ist das inzwischen mehr als schleierhaft und ich verstehe es auch nicht mehr. Nach wie vor ist die FDP die einzige deutsche Partei, die einen ernsthaften Liberalismus vertritt, wohingegen alle anderen Parteien einen staatskonservativen Ansatz verfolgen (ich nehme die AfD hier aus, weil für mich "Ausländer- und Europafeindlich" in keiner Weise mit "liberal" zusammengehen, auch wenn man sich noch so libertär geben mag). Ihre Mitgliederschaft ist bemerkenswert stabil und gerade die Führungsriege von Bundes- und Landesparteien verjüngen sich infolge des personellen Aderlasses nach den "Unruhen" der Bundestageswahl und der sie begleitenden Landtagswahlen in 2013 weiterhin. Die FDP ist heute personell anders aufgestellt als 2010 und damit - muss man sagen - kann es auch mal genug sein.

Ich befürchte allerdings, dass gerade die der FDP innewohnenden Unterschiede zu ihrem weiteren Problem beitragen. Denn schließlich ist der Liberalismus auch ein Magnet für differenzierte Persönlichkeiten, die sich gerade einmal darin einig sind, dass Freiheit den Vorrang vor dem Staat und Individualität Vorrang vor Konformismus haben müssen - über die Details kann und wird dann lange und heftig gestritten. Nicht das innerparteilicher Streit etwas schlechtes ist, er ist sogar eigentlich etwas Gutes, denn nur im Streit formen sich bestandskräftige Meinungen. Dabei muss allen Beteiligten jedoch bewusst sein, dass man im Prinzip für dieselbe Sache kämpft. Anderenfalls - AfD, Piratenpartei und andere machen es vor - bekommt man ein pittoresk anzusehendes "Das-Leben-des-Brian"-Szenario und vermag Freund nicht mehr von Feind zu unterscheiden. Auch das ist heute ein Problem der FDP und innerparteilich muss ein angemessenerer, freundschaftlicherer Ton einkehren, bevor sich ihre Freunde und auch Wähler wieder zu ihr bekennen werden. Denn schließlich wählt niemand einen zerstrittenen, zerrissenen Hühnerhaufen - das prominente Beispiel der Piratenpartei dürfte das deutlich machen.

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